Online Speed-Dating zur Bundestagswahl 2021

Gute Diskussionskultur und spannende (Zukunfts-)Fragen

Beim zweiten Teil des Speeddatings der Jugendringe und des Netzwerks Inklusion am Donnerstagabend konnten die Fragenkomplexe in neuer Zusammensetzung vertieft werden.

Die offene Online-Abendveranstaltung mit den Direktkandidat:innen für die Bundestagswahl 2021 aus dem Wahlkreis Weiden war nicht weniger spannend als die Runde mit den Schulen am Montagvormittag (Bericht vom 28.07.2021). Die Runde traf sich in neuer Zusammensetzung: wieder mit dabei waren Albert Rupprecht (CSU), Christian Weidner (Die Linke) und Tobias Groß (Freie Wähler), neu in der Runde waren Christian Wallmeyer (ÖDP) und Manfred Schiller (AfD). Entschuldigt hatten sich dieses Mal SPD, Grüne und FDP. Martin Neumann, Florian Vogel und Dominik Fischer als Vertreter der Jugendringe und Christina Ponader als Leiterin des Netzwerks Inklusion moderierten die 4 Fragenkomplexe Umwelt und Klima, Inklusion, Soziale Gerechtigkeit und Partizipation in bewährter Weise: Sie brachten stellvertretend für die Jugendlichen Fragen ein und baten um möglichst konkrete Antworten. Auch dieses Mal blieb in den 90 Minuten nur eine knappe Zeit pro Frage. „Wir freuen uns, dass sich die Politiker:innen den Fragen der Jugendlichen stellen. Das ist ein Weg herauszufinden, wie Politik funktioniert“, so die Veranstalter:innen. Mit Unterstützung von Gebärdendolmetscherinnen war die Veranstaltung inklusiv angelegt. Gefördert wurde sie vom BJR und Aktion Mensch. 

Im Bereich Umwelt ging es um das Thema Vermeidung von Plastikmüll: Von notwendiger Sensibilität auf allen Ebenen, auch in der Industrie (Linke) und den Wahlmöglichkeiten für Verbraucher:innen (Freie Wähler) bis hin zur gesetzlichen Regelung über die EU-Richtlinie (CSU) sahen alle Politiker das Thema als wichtig an. Ähnliches zeigte sich beim Komplex Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft: Bio-Betriebe (Linke) und Bewusstsein für Regionalität (Freie Wähler), Förderung von mittelständischen Landwirtschaftsbetrieben mit verbundener Qualitätssteigerung (ÖDP) sind neben dem Handeln der Verbraucher (AFD, CSU) und der Verlässlichkeit für die Bauern (CSU) wichtige Stellschrauben.
In der Frage nach der zukünftigen Energiepolitik ging die Meinung eher auseinander: Von erneuerbaren Energien (Linke) in Kombination mit guten Speicherlösungen (ÖDP) einerseits, der Mittelposition des Energiemixes (Freie Wähler, CSU) in Verbindung mit einer dezentralen und regionalen Lösung (Freie Wähler) oder Steuerungsmechanismen wie CO2-Bepreisung und innovativen Ideen wie Kernfusion (CSU) ging es bis hin zur Ablehnung der Energiewende (AFD). Es entspann sich eine Diskussion über die tatsächliche CO2-Vermeidung.

Einigkeit gab es im Bereich Inklusion: Die Gleichwertigkeit aller Menschen und Forderung nach Teilhabe wurde von allen Parteien betont. Mehr Unterschiede gab es darin, wie dieser Weg zu erreichen ist: Rechtsansprüche und Abbau von Hürden (CSU), aktive Förderung und ein vielfältigeres Zusammenleben (ÖDP), Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft und eine Schule für alle (Linke), Fokus auf das gemeinsame Lernen in der Schule (Freie Wähler) und notwendige Leistungsunterschiede und Exzellenzcluster (AFD).
Die Idee der gleichberechtigten Teilhabe steht im Widerspruch zur gelebten Leistungsgesellschaft, so die These. Deutlich werde das vor allem auch im Bereich Arbeit und Beschäftigung, so die Moderatorin. Die Reaktionen der Politiker darauf waren unterschiedlich: die Anerkennung unterschiedlicher Lebensbedingungen und der individuell unterschiedlichen Möglichkeiten (CSU), eine Forderung nach mehr wirtschaftlicher Ankerkennung auf dem ersten Arbeitsmarkt (ÖDP), die Unauflösbarkeit dieser Spannung und die Vorbildfunktion öffentlicher Stellen (Linke), die Unterstützung der Arbeitgeber:innen (Freie Wähler) und einen Einsatz nach Begabung und die notwendige wirtschaftliche Absicherung der Förder- und Sonderstrukturen (AFD).

Im Themenbereich Soziale Gerechtigkeit wurde die Frage gestellt, was getan werden kann, damit weniger Menschen auf ALGII angewiesen sind. Wichtig sei die Betrachtung der individuellen Gründe – danach richten sich die Fördermaßnahmen z.B. berufliche Bildung oder bessere Kinderbetreuung (CSU). Auch Arbeit im Niedriglohnsektor müsse geschaffen werden und sich lohnen (AFD). Care-Arbeit sollte vergütet werden und die derzeit freien Stellen müssten attraktiver werden (ÖDP). Ein Investitionspaket: in Aus- und Weiterbildung, Erhöhung des Mindestlohns und Steuerentlastungen für kleine oder mittlere Unternehmen (Linke).
Am Beispiel der Rentenversicherung wurde das feste Renteneintrittsalter in Frage gestellt. Die Antworten der Parteien: eine ordentliche Rentenreform (Freie Wähler), der Fokus auf die Ausgewogenheit des Systems und auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt (CSU), die Generationengerechtigkeit durch steigende Geburtenzahlen und Steuerumlagen herstellen (AFD), eine Bürgerversicherung für alle und Gewinne aus einer Finanztransaktionssteuer (ÖDP) und eine Umverteilung durch höhere Belastung von Vermögen statt Einkommen (Linke).

Im letzten Themenbereich ging es um Partizipation: wie können die Interessen von unter 18-jährigen in der Politik aufgegriffen werden? Politische Reflexionsfähigkeit bestehe erst mit 18 (AFD). Jede parteiliche Jugendorganisation freue sich über Kontaktaufnahme und Anregungen, so der Appell an die Interessierten (Linke). Die Anregung von Kinderparlamenten ab 12 Jahren in Kommunen und Kreisen oder auch Beispiele wie Fridays for Future sind wünschenswert (ÖDP). Die außerschulische Jugendarbeit bilde eine wichtige Plattform, vermittle politische Bildung und kann politische Forderungen deutlich machen (CSU). Es ist mehr Bildung in Schulen und Vereinen notwendig, auch die Erfahrbarkeit von Politik in Jugendgemeinderäten oder Jugendkreistagen (Freie Wähler).
In der Frage nach der Förderung von Ehrenamt zeigte sich eher Einigkeit: Bürokratische Hindernisse vor allem im Bereich Verwaltung und Haftung abbauen (AFD und Freie Wähler), attraktive Angebote machen (AFD, CSU) auch jenseits der Digitalität, verkrustete Strukturen auflösen und Mitgestaltungsmöglichkeiten schaffen (Linke), den Gegentrend zur Individualisierung setzen (ÖDP und Freie Wähler), die Dominanz der Wirtschaftsförderung auflösen (ÖDP), aber sich auch der knapper werdenden Zeitressourcen bewusst sein (Freie Wähler).

Am Ende bedankten sich die Veranstalter:innen für die gute Gesprächskultur und sachliche Diskussion: „Nur im Kontakt können sich Menschen eine sichere Meinung bilden. Aus den heutigen Antworten konnte man ein gutes Bild gewinnen.“

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